Bleibt alles anders von abranka (SSxGW) ================================================================================ Kapitel 15: XV. Kapitel ----------------------- Äußerst aufmerksam hatte Severus Snape die Bewegungen seines jungen Gegenübers verfolgt. Ihm waren die kleinen Regungen nicht entgangen, die verrieten, dass Georges Stimmung von einer gewissen Vorfreude und Begeisterung in abgrundtiefe Verzweiflung umgeschlagen waren. Und ihm entging auch nicht, dass sich der junge Mann jetzt bewusst zusammenriss und sich Mühe mit dem Spiel gab. Snape tat den nächsten Schachzug, erneut spiegelverkehrt, zu Georges, nahm sein Weinglas und drehte es langsam in der Hand, während seine dunklen Augen den Rothaarigen fixierten. Es war in den letzten Tagen kaum zu übersehen gewesen, dass sich dieser... um ihn bemüht hatte. Mit derart vielen Kleinigkeiten, dass diese nahezu schwer zu zählen waren. Und er war sich noch nicht so sicher, was er davon halten sollte. Sein Standpunkt hatte sich... nicht geändert. Daran hatten weder ihre Annäherung, diese eine Nacht und Georges Verhalten etwas ändern können. Er war überzeugt. Und es war... vollkommen unsinnig, sich auf diesen jungen Kerl einzulassen. In irgendeiner Hinsicht. So sehr seine Aufmerksamkeit und seine offensichtliche Zuneigung auch schmeicheln mochten. Snape nahm einen tiefen Zug aus dem Glas und stellte es ab. Dann antwortete er mit seinem Läufer auf Georges Zug mit einem weiteren Bauern. Sein Blick verharrte auf den Figuren und folgte schließlich Georges Fingerspitzen, die ein wenig ziellos über weißen Gestalten glitten und schließlich wieder auf die Tischplatte zurückkehrten, um dort einen nervösen Rhythmus zu trommeln. Kräftige Hände, die es gewohnt waren, auch richtig anzupacken, angestrengt zu werden... Hände, die weich und warm sein, aber auch gleichzeitig fest zupacken konnten... Hände, die... Abrupt wandte er seine Augen ab und nahm sich einige Erdnüsse. Er drehte sie zwischen Zeigefinger und Daumen, spürte das Salz auf seiner Haut, drehte sie weiter, bis ihnen vermutlich längst schwindelig geworden war, ehe er sie dann langsam aß. Nuss für Nuss, bedächtig kauend. Erneut war er an der Reihe. Bedächtig studierte er die Schachfiguren, spielte mögliche Züge und Gegenzüge in seinen Gedanken durch, ehe er langsam den ersten Turm ins Spiel brachte. Er hob den Kopf erneut und betrachtete sein Gegenüber. Georges Kopf war gesenkt, die halblangen roten Haare hingen ihm wirr ins Gesicht, berührten Hals und Kinn und umschmeichelten die Beugung des Nackens. Die sonstige Lebhaftigkeit war jetzt vollkommen zur Ruhe gekommen. Er wirkte konzentriert. Doch das nervöse Trommeln seiner Finger bewies auch, dass die innere Anspannung da war. Immer wieder fuhr er sich durch die Haare, zupfte gedankenverloren an den Strähnen und warf ihm nervös-flackernde Blicke zu. Zu einem gewissen Grade war das durchaus schmeichelhaft. Ein winziges, kaum sichtbares Lächeln umspielte Severus’ Lippen und wurde im Augenblick seines Bemerkens direkt wieder ausgemerzt. Dieser... Junge sollte ihn nicht zum Lächeln bringen. Er sollte ihn nicht auf diese Art... berühren. Er sollte ihm voll und ganz egal sein. Na gut, wenn es nicht anders ging, dann eben nicht völlig egal, aber zumindest so weit, dass sie irgendwie miteinander zurechtkamen. Dass er selbst mit seiner Anwesenheit klarkam. Und er ihn nicht ständig erinnerte... An Dinge, die er haben konnte, wenn er wollte. An Dinge, für die er nur die Hand ausstrecken musste. Sie waren Illusionen. Jeder Glaube an so etwas wie Glück, Zufriedenheit, eine erfüllte Partnerschaft oder so etwas wäre einfach nur Irrsinn. Er wurde bald vierzig. Was wollte er mit so einem jungen Hüpfer Anfang zwanzig? Schön, im Moment mochten Alter und Erfahrung ihren Reiz haben, doch wie lange würde so etwas wohl anhalten? Nicht für den Zeitraum, den er wollte, den er erwartete. Er hatte genug von Enttäuschungen. Er hatte genug von zwischenmenschlichen Beziehungen, in die er seine ganze Seele legte und von denen am Ende nichts übrig blieb. Er hatte genug davon. Und ja, er war verdammt noch mal frustriert! Und er war verbittert. Er war ein alter, verbitterter Mann. Durfte er auch sein. Der harte Zug um seinen Mund kehrte unmerklich wider, als er nach dem Weinglas griff und es in einem Zug leerte. Kaum hatte er es abgestellt, da füllte George es bereits kommentarlos nach. Ihm lag eine bissige Bemerkung auf der Zunge. Willst du mich betrunken machen? Er verbiss sie sich. Es wäre nicht fair und trotz allem hatte er auf eine gewisse Fairness immer Wert gelegt, auch wenn diese in den Augen seiner Schüler nicht unbedingt immer vorhanden gewesen war. Seine Vorstellungen dieses Begriffs mochten andere sein, als sie die meisten Menschen besaßen, aber dennoch hatte er Vorstellungen. Ganz abgesehen davon war das, was zwischen ihnen geschehen war, nicht aufgrund des Alkohols geschehen. Dafür war er dann doch Realist genug. Es wäre nett gewesen, sich das einzureden, aber dem war nicht so. Sein Gedankengang wurde unterbrochen, als er des auffordernden Blicks von George gewahr wurde. Er hatte seinen Schachzug gar nicht mitbekommen, doch ein knapper Blick über das Spielfeld machte ihm klar, dass dieser seine Dame ins Spiel gebracht und den ersten Bauern dieser Runde geschlagen hatte. Schwarze Bruchstücke dieser Figur lagen nun am Spielfeldrand. Beiläufig versetzte er den Läufer und brachte den weißen König ins Schach. „Schach.“ Dunkel klang seine Stimme durch die Stille, so dunkel, dass es ihn selbst schon erschreckte. Braune Augen sahen ihn an, luden mit ihrer Wärme regelrecht zum Versinken ein, wenn dort nicht dieser Glanz von Schmerz und Verzweiflung gewesen wäre. Severus beugte sich vor, nahm betont langsam und beiläufig einige Erdnüsse und drehte diese erneut zwischen den Fingerspitzen. Konnte es sein, dass er George wirklich derart viel bedeutete? Dass es dieser Junge so ernst meinte? Wenn man es genau nahm, hatte er sich nach diesem... Zwischenfall wirklich bemüht. Um genau zu sein, hatte er versucht ihn – Severus Snape – zu umgarnen. Und das war durchaus schmeichelhaft. Es war angenehm... Aber dennoch: Wo sollte das hinführen? Wohin? Er war zu alt, um sich auf ein Spiel einzulassen, das in absehbarer Zeit vorüber war. Er war zu alt, um sich auf irgendetwas von begrenzter Dauer einzulassen... Erneut war er am Zug. George hatte seinen König aus der Schusslinie gebracht und Snapes Läufer geschlagen – was diesem durchaus klar gewesen war. Ein Läufer geopfert, um dafür Georges Dame schlagen zu können. Schach besaß Strategie. Und so viel Strategie die Weasley-Zwillinge auch immer an den Tag gelegt hatten, wenn sie irgendwelche Streiche ausheckten, auf dem Schachfeld konnten sie es nicht umsetzen. Fred hatte es auch nicht gekonnt... Sie hatten ab und an zusammen Schach gespielt, wenn es ihm gelungen war, sich in die Räumlichkeiten seines Lehrers herunterzuschleichen. Er hatte sich Mühe gegeben, aber er war zu impulsiv gewesen, hatte schlichtweg einfach die Figuren gesetzt und gelacht, wenn er wieder verloren hatte. George... würde dieses Mal nicht lachen. Nein, so verzweifelt, wie dieser Ausdruck in den braunen Augen geworden war, würde er sich eher zu einem Lächeln zwingen, eine Gute Nacht wünschen und verschwinden. Severus blickte still auf die kräftigen Finger, die erneut einen unsteten Rhythmus auf die Tischplatte trommelten. ...eigentlich... Ja... eigentlich... wollte er diesen jungen Mann nicht traurig sehen. Er wollte ihn lachen sehen. Lächeln, auf diese Art, dass man das Gefühl hatte, dass er in der Lage wäre, die ganze Welt mitzureißen. Als wenn die ganze Welt ein einziger großer Scherz war, den nur er verstand. Er wollte ihn lachen sehen... Weil sie so unterschiedlich waren. Weil er selbst diese seltsame Verzweiflung in seinem Herzen spüren konnte. Weil... er doch irgendwie glauben wollte, dass es keinen Grund gab, so bitter und kalt zu sein. Weil es dieser verdammte Kerl wirklich geschafft hatte, ihn zu berühren und ihm etwas zu bedeuten. Sachte legte er seine Hand auf die zuckenden Finger. Eisig waren sie. Nicht so warm, wie er erwartet hatte. Ein erschrockener, vollkommen überraschter Blick flackerte zu ihm, ehe die braunen Augen sofort wieder niedergeschlagen wurden. „Entspann dich. Selbst wenn du diese Runde verlierst, werden wir weiterspielen.“ Und im gleichen Moment wurde ihm klar, dass er eigentlich wollte, dass das nicht nur für dieses Schachspiel galt. Dass es... weitergehen sollte. Selbst wenn es Wahnsinn sein mochte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)