Bleibt alles anders von abranka (SSxGW) ================================================================================ Kapitel 5: V. Kapitel --------------------- So sehr sich George anfangs auch gewünscht hatte, Freds Stimme zu hören, so sehr vermied er es schließlich, das Tagebuch aufzuschlagen und ihm zuzuhören. Er war sich nicht sicher, warum das so war. Es tat weh, Fred zu hören. Es tat weh zu wissen, dass es Dinge gegeben hatte, die er vor ihm verheimlicht hatte. Vor ihm! Vor seinem Zwilling! Vor seinem zweiten Ich! Außerdem hatte er irgendwie eine dumpfe Angst vor dem, was er hören würde. Und so hielt er das dunkelblaue Buch zwar jeden Abend in den Händen, aber legte es genauso ungeöffnet wieder zurück in die Schublade seines Nachttisches und versiegelte diese danach erneut. Es ging nicht. Es ging einfach nicht. Das nächste Wochenende war ein Hogsmeade-Wochenende für Hogwarts, was bedeutete, dass George und Verity die dortige Niederlassung, ehemals Zonkos, übernehmen würden und das Hauptgeschäft in der Winkelgasse geschlossen blieb. Außerhalb der Ferien lief der Hauptverdienst eh über den Versand – und den konnte Snape problemlos übernehmen. Somit war der Ex-Todesser zum ersten Mal allein in dem Haus. Während er sich äußerst pflichtbewusst um die Bestellungen kümmerte – an Pflichtbewusstsein hatte es ihm schließlich nie gemangelt, auch wenn er diese Tätigkeit als ermüdend, unter seinem Niveau und lästig empfand -, ließ er seine Gedanken treiben. Er hätte sich nie von Draco überreden lassen sollen, hier zu arbeiten. Es war eine absolute Schnapsidee gewesen! Vollkommen! Von einem Slytherin hätte er eigentlich mehr erwartet. Und dankbar, wie Draco mit einem breiten Grinsen gesagt hatte, würde er ihm auch nicht sein. Oh nein. Viel eher würde er seinen einstigen Lieblingsschüler verfluchen oder vergiften. Pah! Draco hatte keine Vorstellung, was das hier bedeutete. Wie sehr er seine eigenen Widerstände überwinden musste, Tag für Tag, und wie kurz er ständig davor war, zu sagen, dass er gehen würde. Aber dabei stand ihm dann doch sein Stolz im Weg. Er würde nicht aufgeben. Trotz allem nicht. Knurrig stopfte er einige Stinkbomben in ein Päckchen und hatte überhaupt kein schlechtes Gewissen dabei, dass sich vermutlich seine ehemaligen Kollegen mit diesen herumschlagen würden. Das erste Mal überhörte er das zögerliche Klopfen an der Hintertür. Das zweite Mal reagierte er bewusst nicht darauf und das dritte Mal wurde es von einer Stimme begleitet, die durch das Schlüsselloch zu flüstern schien. „Ich weiß, dass Sie da sind, Professor.“ Potter. Entnervt knallte Snape einen leeren Karton auf den Tisch. Dieser Kerl war wirklich eine Seuche! Dummerweise war er auch unglaublich stur und da Snape keine große Lust hatte, den Rest des Tages mit Geklopfe, Gerufe und ähnlichem – denn Potter fiel garantiert noch etwas anderes ein, sobald er einen Stillzauber gesprochen hatte – tyrannisiert zu werden, gab er den Wunsch, den Jungen einfach erfrieren zu lassen zähneknirschend auf, und öffnete ihm die Tür. „Ich fasse nicht! Sie sind es wirklich!“ Grüne Augen strahlten ihn an und hinterließen dabei einen schalen Beigeschmack. „Was wollen Sie?“ Snape trat beiseite und ließ den schwarzhaarigen jungen Mann widerwillig eintreten. Einen Jungen konnte man ihn ja kaum noch nennen. Der Kampf und seine Erfahrungen hatten sichtlich dafür gesorgt, dass er erwachsen geworden war, auch wenn eine gewisse kindliche Euphorie geblieben war, doch diese hatten auch Lily und James damals besessen. James als ätzende Ergänzung zu seiner unerträglichen Arroganz. „Mit Ihnen reden.“ Harry strahlte ihn an. „Und worüber?“ Snape schlug die Tür zu und seine schwarzen Augen fixierten missmutig den Schnee, der von den Schultern seines ungebetenen Gastes auf den Boden rutsche und sich dort in schnöde Wasserpfützen verwandelte. „Warum... Sie hier sind. Warum Sie das alles getan haben. Ich habe so viele Fragen an Sie!“, sprudelte es aus dem jungen Helden der Zaubererwelt hervor. Snape verdrehte die Augen. „Und was veranlasst Sie zu der Annahme, dass Sie irgendeine Antwort erhalten werden? Falls Sie es vergessen haben: Wir hatten niemals eine freundschaftliche Beziehung und wir werden diese auch niemals besitzen.“ Der Ausdruck in den grünen Augen wurde so perplex, dass Snape ein müdes Lächeln entwich. „Hat Sie Ihr Heldentum jeglichen Verstand gekostet? Nichts von dem, was in der Vergangenheit geschehen ist, sollte Sie zu dieser hirnlosen Euphorie verleiten.“ „Auch nicht, dass Sie mir Ihre Erinnerungen an meine Mutter hinterlassen haben?“, fragte Harry leise und blinzelte seinen ehemaligen Lehrer von unten her an. „Was erwarten Sie? Dass die Tatsache, dass ich Lily einst liebte, dafür sorgt, dass ich für ihren Sohn überschwängliche Zuneigung hege?“ Spott lag in Snapes Stimme. „Nein... Weil Sie mich dafür hassen, dass ich wie mein Vater aussehe.“ Die Antwort auf diese Worte bestand in einem höhnischen Schnauben, auf das lange Stille folgte. Harry inspizierte den Raum und die für den Versand vorbereitete Waren und zog eine Tropfenspur quer hinter sich her. Snape verharrte auf der Stelle und beobachtete seinen ehemaligen Schüler scheinbar teilnahmslos. „Warum haben Sie es getan, wenn nicht aus Liebe zu... meiner Mutter?“, wagte es Harry schließlich leise zu fragen. Seine Finger spielten nervös mit etwas Packpapier. „Weil es notwendig war und Sie die einzige Hoffnung waren.“ Snape stockte leicht. „Nicht für Lily?“ Der Ausdruck in den grünen Augen war unergründlich. „Nur, um zu schützen, wofür sie bereit war zu sterben. Und um wenigstens einen winzigen Teil von ihr am Leben zu erhalten.“ Widerwillen über diese Eröffnung schwang mit jedem einzelnen Wort mit, aber er hatte begriffen, dass er diese Nervensäge nur mit einigen Antworten loswerden konnte. Ansonsten würde Potter noch morgen hier stehen und ihn anstarrten. Außerdem: Wenn er sich auf dieses Thema konzentrierte, vergaß er etwaige andere... „Lieben Sie sie noch immer?“ „Potter, ich bin kein durchgeknallter Teenager, der trübsinnig und melancholisch seiner Vergangenheit und seiner ersten großen Liebe nachhängt! Ich lebe noch!“ Der Blick aus seinen schwarzen Augen bohrte sich funkelnd in die grünen seines Gegenübers. Harry nickte langsam. Natürlich. Er hatte sich doch auch erst in Cho verliebt und dann in Ginny, mit der er nun so glücklich war wie niemals zuvor. Warum nicht auch Snape? – So unvorstellbar es auch sein mochte, dass Snape generell irgendjemanden lieben konnte... „Ich hoffe, Sie finden noch einmal jemanden“, sagte er mit einem derart freundlichen Lächeln, dass Snape bedauerte, keinen gemeinen Fluch oder wenigstens etwas Schwarzsehschokolade zur Hand zu haben. Die konnte diesem elenden Optimisten absolut nicht schaden! Zwar war dem berühmtesten Helden der Zaubererwelt anzusehen, dass er mit diesen Antworten nicht vollkommen zufrieden war, aber dennoch drang er nicht weiter vor. Er hatte schon mehr Offenheit bekommen, als er jemals hätte erwarten können. Das hatte ihm Snapes Gesprächseröffnung nur allzu deutlich gemacht. Dennoch ließ er es sich nicht nehmen, eine volle Stunde zu bleiben und Snape mit allerlei Belanglosigkeiten, Gedanken und Vermutungen zuzutexten. Entsprechend tief in den Keller war die Laune des Zaubertränkemeisters und seit neustem Scherzartikelherstellers gesunken. Das alles hier, das war Irrsinn. Irrsinn pur. Er hockte hier in dem Haus eines jungen Mannes, der ihn nur allzu deutlich an Dinge erinnerte, an die er gar nicht erst denken wollte. Und dann kam Potter dahergehopst und rupfte kamelgleich auf äußert dünn bewachsenen Wiesen herum. Schmallippig und mit zusammengezogenen Augenbrauen starrte er sein Spiegelbild in der dunklen Fensterscheibe an. Er sah grauenhaft aus, stellte er nüchtern fest. So beschissen, wie sich sein Leben anfühlte. Wofür hatte er noch gleich überlebt? Weil er es versprochen hatte! Nur, weil er es versprochen hatte! Dumm nur, dass der Mensch, dem er diesen törichten Schwur geleistet hatte, nicht mehr lebte... Die zuvor straff gespannten Schultern sanken nach vorne, er neigte den Kopf und starrte durch den Vorhang aus schwarzem Haar zu Boden. Wie sollte es denn weitergehen? Und wie sollte er hier zurechtkommen, wo er jeden Tag an Fehler und Vergangenes erinnert wurde? Er war nur froh, dass George die Vernarbungen seines Gehörganges beinahe immer unter dem roten, wildwuchernden Haar verbarg. Somit wurde ihm wenigstens eine beständige Mahnung erspart. Nicht, dass er sie nicht dennoch empfunden hätte. Snape erinnerte sich nur zu deutlich, wie es geschehen war, im Sommer des letzten Jahres. Er hatte zu den Todessern gehört, die Lupin und einen der falschen Potters nach deren Flucht aus dem Haus im Ligusterweg verfolgten. Sie jagten ihnen hinterher und er musste vorsichtig sein, während er in diesem Chaos aus Flüchen und vor Magie brodelnder Luft und rasendem Wind und ohrenbetäubender Geschwindigkeit, die Flucht Lupins und des Möglicherweise-Potters zu ermöglichen. Er versuchte einen Todesfluch auf Lupin zu verhindern, indem er den Sectumsempra auf die Hand eines seiner Pseudogefährten losschickte, doch in der Hektik traf er nicht, sein Ziel bewegte sich... Stattdessen traf der Fluch den Kopf des Jungen. Blut sprudelte hervor und schwarzes Haar färbte sich rot... Schuld senkte sich auf ihn herab, auch wenn er wusste, dass solche Dinge in einem Krieg, in einer Schlacht geschahen. Er hatte Schlimmeres getan. Weitaus Schlimmeres. Und doch ließ es ihn nicht los... Müde fuhr sich Snape mit der Hand über die Stirn und schloss die Augen. Warum war er eigentlich noch hier? Aus Masochismus und Selbstkasteiung? Weil er wahnsinnig war? Oder doch nicht viel eher, weil es keinen anderen Ort gab, an den er gehen konnte? Wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann war das genau der Grund. Die Alternative bestand darin, Lebensmittel von Muggeln zu stehlen und zu hoffen, nicht von irgendeinem Zauberer erkannt und entdeckt zu werden. Denn noch immer war er nicht bereit, in ein „normales“ Leben zurückzukehren. Was auch immer normal an seiner Rückkehr sein mochte... So hatte er die Wochen gelebt, ehe er Draco Malfoy über den Weg gelaufen war, der ihm zumindest eine Zeit lang hatte Obdach gewähren können. So lange, bis der Punkt erreicht war, dass Lucius Malfoy zu selbstgefällig wurde und Snapes Stolz diesen Zustand nicht mehr aushielt. Und genau in diesem Moment tauchte Draco mit seiner „grandiosen“ Lösung auf. Und jetzt war er hier. Ausgerechnet hier. Wenn es so etwas wie eine höhere Macht gab, dann musste sie ihn ganz eindeutig hassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)